Die tragische Geschichte der Kobzari, Lirniki und Banduristen Teil 1

Informationen und Unterhaltung sind in der heutigen Zeit nur einen Knopfdruck entfernt. In früheren Jahrhunderten übernahm dies das fahrende Volk. Gaukler und Spielmänner zogen durch das Land, sorgten für Unterhaltung und Nachrichten. Über Letztere, die Barden der Ukraine möchte ich heute schreiben. Man nennt sie Kobzar (кобзар), Lirnik (лірник) oder Bandurist (Бандурист, Бандурник, Бандурщик), wobei sich heute der letzte Begriff für alle eingebürgert hat. Der Unterschied liegt eigentlich nur im verwendeten Instrument, hier eine kurze Erklärung:

Die Kobza (кобзар) [Bild] ist das älteste Instrument und verwandt mit der in Zentraleuropa verwendeten Mandora oder der Laute. Der Name leitet sich aus dem Türkischen ab und kam im 13. Jahrhundert mit einer größeren Gruppe der Turkvölker aus Abchasien, welche sich in der Region Poltawa ansiedelten. Je nach Größe hatte die Kobza 4 bis 7 Saiten und wurde ähnlich wie die Gitarre gespielt. Aber schon die griechischen Chroniken wussten im 6. Jh. von Kriegern aus dem heutigen Gebiet der Ukraine zu berichten, die mit einem der Kobza ähnelndem Instrument reisten, sie nannten diese „Kitharas“. Auch auf Fresken aus dem 11. Jh. in der Sophienkathedrale in Kiew sind ikonographische Darstellungen lauteartiger Instrumente zu sehen.

Der Begriff Bandura kam dann im 15.Jh. auf, vermutlich aus Polen und ist abgeleitet aus dem griechischen Pandora und bezeichnete ebenfalls die Kobza. Mit beiden Begriffen liegt man richtig, wobei die Instrumente immer weiter entwickelt wurden und später bis zu 45 Saiten hatten. Für diese hat sich dann doch der Name Bandura eingebürgert, siehe linkes Bild.

Korpus, Hals und Kopf der Instrumente wurden übrigens aus einem Stück Holz gefertigt, der Resonanzkörper also aus dem Holz ausgeschabt. Das Instrument des Lirnik ist die Lira [Bild], eine Drehleier. Sie kam ungefähr im 17. Jh. aus Zentraleuropa in die Ukraine.

Soviel zu den Instrumenten, hier erst einmal zur Einstimmung auf dieses Thema ein Bandurist in der heutigen Zeit:

Die Kobzari waren nicht nur einfache Sänger und Musikanten, sie waren die Chronisten und Bewahrer des kulturellen Erbes ihrer Zeit! Von Generation zu Generation gaben sie in ihren Balladen, Legenden und Epen die Geschichte ihres Landes weiter, frei und unabhängig von dem Einfluss der Herrschenden, denen sie oft ein Dorn im Auge waren. Wer sollte sie auch kontrollieren, ihre Texte „zensieren“? Damit waren Sie auch Aufklärer ihrer Zeit, was ihnen später leider zum Verhängnis wurde.

Aber sie waren auch Herolde, verbreiteten Nachrichten, warnten die Menschen, wenn ein Überfall bevorstand. Und sie unterhielten die Menschen mit religiösen und vor allem auch poetischen Liedern auf ihren Festen. Ihre Blütezeit begann im 16. Jahrhundert, in der Ära der Hetmane. Oh, die Kosaken liebten die Heldengesänge! Kobzari stimmten sie auf Kriege ein, gaben ihnen Mut, als es gegen ihre Unterdrücker, die Türken oder Polen ging. Der polnische Historiker D. Javornitski schrieb „Die Kobzari spielten, als die Kosaken in die Schlacht zogen und auf dem Rückweg wussten sie schon die neuen Heldentaten zu besingen.“

Die Kobzari waren in der Bevölkerung hoch angesehen und wurden wie Heilige verehrt. Das zeigt auch diese kurze Geschichte aus den Memoiren des russ. Schriftstellers Konstantin Paustowski, die er in seiner Kindheit in Polesien erlebte „Als ein Grundbesitzer einen Kobzari vom Hof vertrieb und schlug, brannten die Menschen kurzerhand sein Anwesen ab“.

Dabei waren die Kobzari zumeist blind oder hatten ein anderes Gebrechen. Eine Erklärung dafür fand ich nicht, es liegt aber nahe, dass dieser Beruf eine gute Möglichkeit war, selbstständig für den Unterhalt aufzukommen. Oft hatten diese auch einen Begleiter, der ihnen zur Hand ging.

Viele dieser blinden Sänger bildeten Bruderschaften oder Gilden mit strengem Codex, Verstöße wurden bestraft. Meister bildeten ihre Jünger zu professionellen Musikanten aus, die Ausbildung dauerte 2 bis 3 Jahre. Später gab es richtige Schulen in Poltava, Charkiv und Tschernihiw.

Wie ich oben schon schrieb, waren gerade den Besatzungsmächten der Ukraine die freiheitsliebenden Banduristen ein Dorn im Auge, wurden verboten und/oder verfolgt. Es gibt Hinweise, dass unter der polnischen Knute Banduristen den Tod fanden. Dies war auch ein Thema in dem Film Die Rückkehr der Steppenreiter (2008) über den berühmten Kosakenführer Bohdan Chmelnyzkyj. Die entsprechende Episode habe ich sogar auf YouTube gefunden. Der polnische Prinz kommt in eine Bandurawerkstatt und lässt letztendlich alle ermorden. Er hätte geschworen, dass in der Ukraine nie wieder eine ihrer Kirchenglocken und die Bandura erklinge. Interessant ist an dem Ausschnitt aber auch der kurze Einblick, den man in eine Bandurawerkstatt bekommt.

Ganz besonders schlimm erging es ihnen jedoch unter Stalin. Gerade die Banduristen waren ihm verhasst, weil sich in ihrer Musik das ukrainische Nationalbewusstsein widerspiegelte. Mehr darüber dann im zweiten Teil. Bis dahin könnt Ihr Euch gern dieses Video anschauen, es zeigt den Hoosli Ukrainian Male Chor zusammen mit dem Ukrainian Bandurist Chor aus Amerika. Wir kommen später noch auf Letztere zu sprechen.


 

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