Deja vu! Teil 2

Bitte Copyrighthinweise am Ende der Seite beachten!Nein, eigentlich ist es vorbei mit dem »Deja vu«. Natürlich, man kommt vor lauter Neuigkeiten gar nicht mehr so richtig mit. Was da so alles aufgedeckt wird, welche Gemeinheiten sich die alte Politikerkaste hat einfallen lassen. Es ist wirklich wie zu DDR-Zeiten Ende '89. Mit einem ganz großen und entscheidenden Unterschied! Während in der DDR der „große Bruder“ aus Westdeutschland das Heft immer mehr in die Hand nahm, bugsiert sich der (vermeintlich) „große Bruder“ der Ukraine selbst immer mehr ins Abseits.

Russland bzw. die Herrscherriege um Putin stehen mit herunter gelassenen Hosen da. Und ich habe fast den Eindruck, dass die (vor allem finanzielle) Hilfe aus dem Westen gar nicht so hoch ausfallen muss. Schön wäre es, wenn man sich ohne nennenswerte neue Abhängigkeiten konsolidieren könnte. Wenn die Vermögen der korrupten Politiker eingezogen werden (allein bei Janukowitsch redet man von 14 Milliarden Dollar!), und die Korruptionsbekämpfung Früchte trägt; wenn wenigstens die Hälfte der schwarzen Gelder in der Staatskasse landen und man vielleicht die (nicht ganz unschuldigen) Oligarchen ein klein wenig zur Kasse bittet - ja, da sehe es schon ganz anders aus.

Und das Wichtigste: Die ukrainische Bevölkerung lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen und handhabt die anstehenden Aufgaben auf eine - in der modernen Zeit - nie dagewesene Weise. Man besinnt sich auf Traditionen der Ahnen, die Wikinger kannten das unter der Bezeichnung Ting, die Volksversammlung. Das kann und wird Schule machen. Ja, ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass von der Ukraine vielleicht eine neue Revolutionswelle ausgeht! Die Ukraine ist schon Vorbild in Venezuela und auch die iranischen Reformer schauen staunend auf uns. Aber der Reihe nach:

Den Vormittag richtete die ganze Ukraine ihren Blick auf die autonome Republik Krim. Krimtataren blockierten das Parlamentsgebäude, in dem heute eine Sitzung stattfand, bei welcher ein Anschluss an Russland beschlossen werden sollte. Von nur wenigen Milizen getrennt, standen sich Russen und Krimtataren gegenüber. Sprechchöre wie „Krim zu Russland“ und „Krim zu Ukraine“ wechselten ab, die Stimmung war angeheizt. „Slava Ukraini!“ war ebenso zu hören wie „Allahu akbar!“. Krimtataren sind zum größten Teil Muslime.

Auf der Seite der Krimtataren sah ich dann Plakate wie „Ich bin Russe, möchte aber in der Ukraine leben!“ – das gibt Hoffnung. Und tatsächlich, die russischen Demonstranten wurden dann zurück gedrängt, es waren wohl nur 4 Busse von ihnen  angereist. Leider gab es einige Verletzte und ein Mann erlitt einen tötlichen Herzinfarkt. Aber die Blockade war letztendlich erfolgreich. Die Deputierten stahlen sich über Hinterausgänge davon.  Staunend sah man dann den Ataman der Krimtataren in drei Sprachen zu seinem Volk reden. Auf Krimtatarisch, Russisch und Ukrainisch. Er bat die Anwesenden, friedlich nach Hause zu gehen, was sie auch umgehend taten. Molodjez!

Am Nachmittag kam etwas Unruhe auf, der kleine Zar in Moskau lässt nahe der Grenze ein Manöver abhalten, ein bisschen mit den Säbeln rasseln, mehr nicht. Das juckt die Ukrainer nicht im Mindesten. Man hat so schon einige Hühnchen mit den Russen zu rupfen wegen ihrer Beteiligung an den Morden letzten Donnerstag. Und auch die drei Alt-Präsidenten gaben heute zu, dass sich Russland sehr intensiv in die Politik der Ukraine eingemischt hat. Das wird man Putin schon noch unter die Nase reiben, der soll mal ganz ruhig bleiben, dieser Halbstalin!

Viel mehr staunte man dann darüber, was am Parlament vorging. Aktivisten entfernten nach und nach den hohen, eisernen Zaun um dieses. „Wenn ihr eure Arbeit ordentlich macht, braucht ihr auch keine Angst vor uns zu haben!“ meinte einer der Aktivisten. Wir staunten nur noch, uns blieb die Spucke weg.

Dann kam die Nachricht, dass Janukowitsch auch in Wolhynien eine Residenz haben soll und in Tscherkassy spazierten die Menschen durch die Villa des hiesigen KP-Chefs. Villenhopping scheint ein neuer Volkssport zu werden. Und irgendwann wird die Ukraine wohl das Land mit den schönsten Sanatorien?

Am Abend dann war der Maidan in Kiew wieder voll, die neuen Regierungsmitglieder wurden vorgestellt. Bei der ARD rätselte man, wie das denn funktionieren soll. So wenig Phantasie? tsss… Das ging dann ganz einfach. An der Reaktion der Massen lies sich ganz gut ablesen, wer den Segen des Maidan bekam und wer nicht. Sehr umstritten ist Arsen Awakow als Innenminister. Ob er morgen dazu gemacht wird? Zweifel sind angebracht. Aber es gab auch Überraschungen. So soll Dmitri Bulatow, das Folteropfer vom Automaidan, Sport- und Jugendminister werden. Die im Dezember verfolgte und schwer misshandelte Journalistin Tatjana Chornovol soll den Anti-Korruptions-Ausschuss leiten. Und der sympathische Moderator auf der Maidanbühne, Jewhen Nischtschuk wird Kulturminister. Bravo! Und das alles entschieden auf einem Ting... die Ukrainer! Ich staune immer mehr, bin stolz, das hier tagtäglich miterleben zu dürfen und ein klein wenig eifersüchtig, dass wir uns in der DDR damals von dem Kohl so haben einlullen lassen…

Eines noch. Den Maidanwachen hat man heute Uniformen angeboten und den Tipp gegeben, sich doch bei den Milizen zu bewerben. Einfach so, ohne jeden Zwang. Alles kann, nichts muss. Was soll man da noch sagen?

Bestimmt habe ich wichtige Ereignisse vergessen, Neuigkeiten kommen hier aktuell im Minutentakt. Ihr könnt das gern in den Kommentaren vervollständigen.

Slava Ukraini!

© des Bild oben: www.unian.ua


 

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