Die Geschichte der Ukraine - Einleitung

Wie ich schon ankündigte, möchte ich mich näher mit der Geschichte der Ukraine beschäftigen und diese meinen deutschsprachigen Lesern näher bringen. Ich kann das keinesfalls wie ein Historiker, dafür fehlt mir schlicht und einfach auch die Zeit. Deshalb möchte ich so vorgehen: Ich werde markante und interessante Geschichten, die einen wesentlichen Einfluss auf die Geschichte der Ukraine nahmen, genauer ansehen und entsprechende Beiträge ausarbeiten. Als Grundlage dient mir ein altes Buch, welches mein guter Freund Micha aus Kiew mir als Ausdruck schenkte. Es handelt sich um den Band 48 der »Allgemeinen Welthistorie« von 1796. Das Buch mit über 700 Seiten in alter deutscher Schrift kann jeder bei Google-Books downloaden. Zum Glück liebe ich es, solche alten Bücher zu lesen, aber das nur am PC zu tun ist doch sehr ermüdend. Deshalb an dieser Stelle nochmals einen ganz herzlichen Dank an Micha für den Ausdruck, das hilft mir sehr! 

Jetzt werden viele fragen, wieso ich so ein altes Buch lese? Es gibt doch neuere Werke, mit neuen Erkenntnissen? Wikipedia? Das weiß ich natürlich. Jedoch frage ich mich wirklich, woher diese „neueren“ Erkenntnisse kommen? Das vorliegende Buch musste garantiert keine sowjetisch/russische Geschichtsklitterung erdulden und auch keine Rücksicht auf Befindlichkeiten in Moskau nehmen. Es gibt mir einen guten Leitfaden, und ich werde diese mit anderen Quellen vergleichen. Ich denke, das ist ein guter Kompromiss. Für interessante Links bin ich wie immer dankbar.

Eine kleine Randbemerkung kann ich mir jetzt nicht verkneifen. Der Ukraine wird ja immer wieder aberkannt, dass sie ein eigenes Land, ein Staat wäre. Gut, die Grenzen haben sich immer wieder verschoben, warum, dass werden wir ja noch sehen - aber ich frage mich: Wieso gab es dann 1796 schon einen siebenhundert Seiten schweren Wälzer über die Ukraine?

Kommen wir zu dem Buch. Gerade dessen Einleitung hat mich schlichtweg von den Socken gehauen. Nicht umsonst sagt man „Die Geschichte wiederholt sich“. Lasst mich einige Stellen hier zitieren, besondere Abschnitte habe ich kursiv hervorgehoben:

Guillaume le Vasseur de Beauplan beschrieb im 17. Jahrhundert die Ukrainer so:

Unter diesen Kosaken gibt es Leute, die in allen, zum menschlichen Leben notwendigen Handwerken geschickt und erfahren sind. Nämlich Zimmerleute, sowohl zur Erbauung der Häuser, als auch der Fahrzeuge. Schiffer, Schmiede, Büchsenmacher, Gerber, Schuster, Böttcher, Schneider, usw. Sie sind sehr geschickt in der Zubereitung des Salpeters, wovon daselbst ein großer Überfluß ist, und verfertigen sehr gutes Schießpulver. Die Weiber spinnen Flachs und Wolle, wovon sie zu ihrem Gebrauch Leinwand und Zeug machen. Sie verstehen alle das Feld zu bauen, zu säen, zu mähen, Brot zu backen, Fleisch von aller Art zuzurichten, Bier zu brauen, Met, Breha (aus Hirsen) und Branntwein zu machen. Es befindet sich auch niemand unter ihnen, er sei von welchem Alter, Geschlecht und Stande er wolle, der nicht seinen Gefährten im Trinken zu übertreffen suchte, und in der ganzen Christenheit versteht sich gewiss niemand so gut auf die Art, ohne Kummer für den folgenden Tag zu leben, als sie.

Übrigens bleibt es ausgemacht, dass sie allesamt zu den Künsten fähig sind. So trifft man auch einige unter ihnen an, welche allgemeinere Kenntnisse als der gemeine Mann besitzen. Mit einem Worte, sie sind alle verschmitzt genug, aber sie bekümmern sich nur um das Nützliche und Notwendige, und vorzüglich um solche Dinge, die das Landleben betreffen.

Die Kosaken (d.h. die Ukrainer) sind im Allgemeinen schönere Leute als die Russen, versichert der Beobachter bei Büsching*, und wie sie von Ausländern, selbst von Polen geschätzt worden sind, lehrt die Rede des Landboten und Kabinettsdirektors Kicinsky, auf dem Reichtage zu Warschau, gehalten am 3. Mai 1791, worin er von der edlen Donischen und Saporogischen Ritterschaft spricht...

*ein anderer Verfasser in dieser Reihe zur Weltgeschichte

Weiter in der Einleitung wird ein Hr. Scherer zitiert:

„Die ältere Geschichte, sagt Hr. Scherer, bietet keine anziehendere Gegenstände an. Man wird in diesen Annalen, so wie in jenen des Altertums, Gesellschaften finden, gebildet durch militärischen Geist, und diesen militärischen Geist genährt und unterhalten durch in ihrer Art eigene, systematische Staatseinrichtungen. Man wird die Bürger dieses republikanischen Staates, erzogen gleich den Spartanern, und immer in Waffen gleich den Römern, zwar nicht den bekannten Weltkreis unterjochen sehen, wie die letzteren, aber man wird sie sehen zum wenigsten ihre Herde und Altäre mutig und standhaft verteidigen, und die Mühseligkeiten eines unstetigen, unruhigen Lebens einer weichlichen Sklaverei vorziehen.

Man wird Väter sehen, die ihren Söhnen den Stolz der Unabhängigkeit und zum Erbteil nichts anderes hinterlassen, als einen Säbel mit der eingeätzten Inschrift: „Siegen oder Sterben.“.

„Man wird sehen, wie die mörderischen Wirkungen des Kriegs durch Aufnahme Fremder an Kindesstatt gutgemacht, und so diesem auf seine Freiheit eifersüchtigen Volke neue Arme zu deren Verteidigung zugeführt werden. Man wird die Abwege der Politik und die Emporstrebungen des Mutes, das Zusammenstoßen der Unterdrückung und des Widerstandes mit seinen Augen verfolgen; man wird heroische und doch nicht fabelhafte Zeiten, Laster und Tugenden bemerken. Vielleicht würde man diese letzteren bewundernd erheben, wenn von Griechen und Römern die Rede wäre, aber bei den Kosaken wird man sie vielleicht Barbareien nennen.“…

… „Sie haben freilich das Gebiet unserer Kenntnisse nicht erweitert: Rom hat uns Gesetze und Ruinen zurückgelassen, Griechenland Gedichte und Statuen, das Herz erhebt sich bei dem Andenken an die schönen Tage Athens, der Verstand erstaunt beim Anblicke der sieben Hügel. Welches Gefühl wollen wir den Kosaken widmen, bei welchen man uns nur Verräter gezeigt hat, und welche wir mit desto weniger Schonung beurteilen, da ihre Größe nicht, wie bei den Römern, ihre Wiege vergessen lässt, und da ihre Kindheit nicht, wie bei den Griechen, mit allen Annehmlichkeiten der Mythologie verschönert ist?“

„Die Kosaken der Ukraine waren ein ruhiges Volk: sie erwiderten anfangs die Anmaßungen des polnischen Adels und Klerus nur durch ein stilles Entfliehen. Als sie aber in der Folge sahen, dass man nur auf ihren Untergang bedacht war, ergriffen sie – und ist es wohl zu verwundern? – zur Abwendung des unerträglichen Jochs den Säbel, und bestärkten sich immer mehr in dem Geschmack an Unabhängigkeit. Aber wenn sie mit dem einen Arm die Eingriffe in ihre von den Vätern angestammte Freiheit rächten, haben sie nicht mit dem anderen die Türken abgehalten und die Tataren zurückgeschlagen? Haben sie nicht das mittlere Europa gegen die Überschwemmungen der orientalischen Barbaren gedeckt, und der fanatischen Wut der Christenfeinde mit dem glücklichsten Erfolge getrotzt? Den aufgeklärten und unparteiischen Nationen gebührt es, zu entscheiden, auf welcher Seite die Undankbarkeit sei – und zu richten zwischen ihnen und dem polnischen Reiche, welches sie einst beschützten, und in der Folge zittern machten.“ …

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Die Parallelen zur aktuellen Situation sind wirklich verblüffend und sollten uns allen zu denken geben. Noch eine kleine Aufheiterung zum Schluss, diese Fußnote auf Seite 36 hat mir doch irgendwie gefallen und ich musste schmunzeln:

„Man könnte in Versuchung kommen, anzunehmen, dass unter den Mongolischen Dschingiskanischen Verwüstungen in Asien auch Cirkassier und Georgianer, deren Land an der südlichen Grenze des mongolischen Reichs in dortiger Gegend war, entweder als Kriegsgefangene oder als Flüchtlinge hierher gekommen, und Erbauer von Tscherkassy geworden wären. So ließe sichs erklären, warum die Ukrainer schönere und behendere Leute seien, als die Russen.“

;) Bis zum nächsten Mal.


 

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